Cloud 7

Cloud 7

Immer dieser verdammte Ratten-Fraß im Hirn

 

Im Sports-Dome gab es ein Erholungs-Ressort, aktuell firmierte es unter Cloud-7. Auch hier war die Illusion atemberaubend. Es stand der Art-Reality in den „Cabs“ in keiner Weise nach, im Gegenteil! Das Ambiente war das einer, wie sollte man es beschreiben, offenbar befand man sich im Innern einer grazilen, transparenten Wolke, deswegen wohl Cloud-7! Sie war von dramatischer Durchsichtigkeit, venezianisches Kristall wäre wie Altglas dagegen gewesen. Die Kristall-Wolke schwebte, mit weichen, leicht schwankenden Bewegungen, über einem Ultramarin-Meer. Das sanfte Schwanken war von anregendem Reiz für den Gleichgewichtssinn. In der Ferne berührten Wolkenstraßen den dunklen Azur des Horizontes. In der Tiefe zog gemächlich die Insel-Girlande eines Südsee- Archipels vorbei, ja, ja,natürlich, mit all den Lagunen und dem Türkis!

Das alles war von überwältigender Schönheit, geradezu von mörderischer Schönheit, Candy für die Pupillen, Ecstasy für die Netzhaut! Für die alten Ärsche, für die, die noch wussten, was das Lokal-Adverb „draußen“ wirklich bedeutete, war es nichts weiter als eine hinterhältige Verführung, nichts als erbärmliche Schminke, sie bekamen Augenschmerzen! Den Wolkenraum schmückten geschwungene Galerien, exotisches Grün hing wie Lianen herunter, Wasser flüsterten erfrischend. Inmitten gab es ein Bassin, mit einer zierlichen, viel-strahligen Fontäne. Das Bassin sammelte das Ultramarin der Meeresoberäche, es spiegelte sich an den Wolkenwänden und dem Interieur, die Reflexe erhoben das ganze Hyper-Durchsichtige erst in etwas Gegenständliches. Schillernde Farbtupfer taumelten durch die Luft, es waren Schmetterlinge, der krönende Einfall. Es schien ein Arrangement zum Welt-Vergessen. Heutzutage stand Welt- Vergessen ganz oben, ein neo-bizarres Lustprinzip! Lilley und Myk hatten sich in der Lounge-Bar innerhalb der Cloud-7 verabredet. Die Bar trug den Namen „Happy Impact“, weiß der Teufel warum. Der Tresen, was heißt Tresen, es war eine Brandungswelle, die sich nach Sehnsucht-Ort Manier, fortwährend gemächlich überschlug. Offenbar wurde sie in einen hyper-durchsichtigen Kristall-Körper projiziert. Der war vorne, für Anlehnungsbedürftige, angenehm Wellen-rund geformt. Lilley sagte, dass sich der Administrator wahrhaftig eine faszinierende Kulisse hätte einfallen lassen. Sie trug einen hautengen, schwarz-glänzenden Taucheranzug. Er implizierte die gewisse Anzüglichkeit einer Nass-Kreatur. Der Reißverschluss des Jacketts war bis herunter in die Kerbe gezippt, was obenherum einen sportlichen Kragen wie Manta-Flügel hergab. Vornüber stand Südsee-farbig, „Bora-Bora“! Die Doppel- Lautfolge war, analog zu dem was sie beschrieb, nicht weniger in ansehnliche Höhen gehoben. Also Lilley sagte das mit der faszinierenden Kulisse, als die Tresen-Welle wiedermal in sich zusammen fiel. Myk grapschte theatralisch zu seinem Gläschen, als wäre er naiv genug zu glauben, es würde, mit der Welle, „schwupp und weg“, verschwinden. Er sagte mit mild nachsichtigem Unterton: „Es ist ein wenig viel Optik für nur zwei Augen!“ „My …k, es ist ein maritimes Szenario, es trifft ausgesprochen meinen Geschmack!“ „Es ist diese gewisse Überdosis, hier und da und dieses alberne Geschaukel!“ Er krähte: „Cheers“, und kippte das Glas runter. Lakonisch schob er nach: „Alles fauler Zauber!“ Sie verwirbelte die Creme in ihrer opulenten Coffee-Cup. „Du willst mir doch nicht etwa den Spaß verderben?“ „Nein, um Gotteswillen, es ist wirklich mega-maritim und es gibt ja auch
einiges ziemlich Waschechtes!“ Seine Augen lagen in kurzer Andacht auf den Bora-Bora-Kringel. Sie trank von ihrem Kaffee. Die opulente Coffee-Cup hatte etwas sinnlich Formschlüssiges zu ihrem leicht gewölbten Mund. „Ein Hauch sublimierter Erotik des großen Mysteriums, dafür drehen sich die Sterne womöglich“, dachte Myk in einer rest- alkoholischen Anwandlung. Als sie die Tasse absetzte fragte sie: „Myk bitte, eh, geht es dir gut?“ „Mir? Ob es mir gut geht?“ Sie sagte, abgesehen von der transparenten Örtlichkeit hier, hätte sein Aussehen ebenso eine gewisse durchsichtige Blässe. Er antwortete darauf, tanzen wäre eben eine anstrengende Sache. Sie retournierte: „Armer Kerl!” „…und die ganze Küchenarbeit!“ Sie lachte lauthals. „So was aber auch, ist ja wirklich bedauernswert“, sagte sie und fuhr fort, ob seine ständige Demonstrationen nötiger Trinkfestigkeit für dieses Dasein, obschon die Welt voller unstrukturierter Phänomene wäre, nicht ursächlich für seine vornehme Blässe sein könnte? Er entgegnete Experten-mäßig, ja, ja, all diese unstrukturierten Phänomene, diese Phänomene müsse man von Zeit zu Zeit neutralisieren. Ein, zwei Drinks könnten da hilfreich sein. Allerdings, wollte man es faltenfrei hinkriegen, müssten es schon ein paar mehr sein, je nachdem eben, das müsse man hinterher mit temporärer Blässe bezahlen, ein faires Geschäft…

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Peter Tempel

67098 Bad Dürkheim


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