Extraktor

Extraktor

Das hier ist ein Arrangement, wer es auch immer arrangiert hat, alle Achtung!

 

Da war dieses Komplex-Gefüge, der Raum hinter dem Raum, der keiner war, die Zeit hinter der Zeit, die keine war... alles ist mit allem verwoben, verwunden, das universale Netzwerk, Weltlinien! Die Weltlinien aller denkbaren Ereignisse aller unendlicher Geschichten, die Sirenengesänge der Abgründe… er durfte nicht seiner eigenen Geschichte begegnen, nein, nur das nicht! Seltsam, wie mit einer Spirale, aus seinem Inneren heraus, kam er an eineOberfläche… eine Oberfläche? Aber, aber, Oberflächen sind doch Illusion, triviale Raster! Er erwachte in einem Kalkweisen Zimmer. Wie viel Zeit war vergangen, gar keine, eine Milliarde Jahre, wie viele Räume hatte er durchmessen, keinen, unendlich viele, war alles nur ein Alptraum? An seiner Seite saß ein Engel mit langem, blauschwarzem Glanz-Haar. Der Himmel! Ein Engel für ihn, wie schön! Was war geschehen? Er war unterwegs gewesen, in einer Landschaft in diesem satten Rot… ja, rot, rot, die ganze Palette! In einer Umgebung mit dieser kristallklaren Weite, mit Abgründen wie aufgerissene Rachen…doch, verdammt, ahh, die „Rojo- Grande“, Olympus-Mons, die Expedition, ihre Expedition, er und Myk! Himmel, nein, nein, nein, Myk! Myk ist tot! Obwohl ihm nach und nach, all das Entsetzliche bewusst wurde, schien es ihm Welten-weit entfernt, jeder Gedanke wie eingetrichtert. Der Engel drehte sich zu ihm. Es war ein wunderschöner Engel. Ein Engel von dem man träumen würde. Der Engel sah ihn mit großen braunen Augen an. Diese Augen, dieses magische Braun, die Verheißung tröstlicher Glückseligkeit, dafür wurde Troja geschleift! Der Engel lachte himmlisch, hauchte, „Chris!“ Dann, wie konnte er nur, wie konnte er nur? Es war Lilley, Lilley, Lilley! Er wollte sich aufrichten, schaffte es kaum hoch, er fühlte sich leer, leer wie eine ausgefressene Dose Corned-Beef, er sank zurück und fiel wie bewusstlos in tiefen Schlaf. Als er die Augen öffnete, saß ihm Lilley, in einem Glanz-roten Kunstleder-Sessel gegenüber. Sie war bekleidet, mit dem schwarzen, leicht glänzenden, enganliegenden Overall, den man unter dem Power-Tex trug. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen, repräsentierte schwarze Nacktheit im Prinzip, dahinter die Kalk-weise Wand. Er bemerkte die Kanüle an seinem Arm, die Tropf-Apparatur. Lilley, ihr Anblick gegenüber, diese schwarze Nacktheit, in diesem Glanz-roten Kunstleder-Sessel, vor dieser Kalk- weisen Wand, das war optisch die reinste Bluttransfusion, und dieser Anblick würde ihn mehr auf die Beine helfen, als die dämliche Saccharose, in diesem dämlichen Tropf-Apparat, vielmehr! Er fühlte eine weltliche Regung, eine Regung die im Himmel, lieber Himmel, sündhaft wäre! Aber im Ernst Sportsfreund, 'ist nur eine lässliche Sünde, also Wischtuch drüber! Er setzte sich auf die Liege. Sie sagte: „Hallo, naa, … a“, und irgendeinen Schwachsinn, ob er denn wieder unter den Lebenden wäre. Alleine dieses gedehnte „Naa, …a“! Es hörte sich an, als wurde sie milde über die Eskapade eines dummen Jungen hinwegsehen. Er krächzte, „Myk ist tot!“ Sie schwieg. Es roch nach Kaffee. Sein Focus auf dieser Gottesanbeterin machte den ätzenden Geruch zu einer sekundären Wahrnehmung. „Kaffee?“ Sie reichte ihm einen Becher mit schwarzer, rauchender Brühe. „Danke!“ „Vorsicht heiß!“ Er nahm einen Schluck machte, „ahh...“ und sah zu ihr. Sie hatte wieder Platz genommen, schlug wieder die Beine übereinander, umgeben von prallem Rot! War es der Himmel oder die Hölle ein Mann zu sein? „Ja, heiß“, sagte er, die Brühe hatte einen Abgang wie siedende Pisse, „verdammt heiß“, jedoch er meinte etwas ganz anderes. „Du weißt dass Myk tot ist?“ „Woher sollte ich?“ Kalk-weises Schweigen! Er sah zu ihr. Sie sagte mit Denkpausen die offensichtlich das Unbegreifliche ihrer Worte unterstreichen sollten: „Die Idioten haben die Ladung der Vampire vertauscht… Stoker wollte es noch rechtzeitig in Ordnung bringen… so gesehen konnte ich, wenn überhaupt, nur eine Person hier erwarten… na ja, und dann eben dieser katastrophale Orkan!“ „Er ist tot, wir sind in der Extractor?“ Sie bohrte ihren Blick in die Wand! „Das tut mir leid, tut mir wirklich von Herzen leid!“ Trotz der Beteuerung klang es unbeteiligt, als hätte sie vorhergesehen, dass es so kommen würde. „Wie bin ich hier herein gekommen?“ „Das „ELT“, ich konnte ab und zu ein schwaches Signal empfangen.“ „Du hast mich hier her gebracht?“ Sie lachte cool! „Der Power-Tex!“ Sie kniff mit erhobener Hand, Daumen und Zeigenger zusammen, als hätte sie ihn daran in die Station befördert! „Wie lange bin ich schon hier?“ „Ich bin froh dass du hier bist!“ „Wie lange schon?“ „Circa 18 Stunden!“ „Ahh, 18 Stunden, 'weiß nicht, mein Hirn sagt, Stunden, oder Jahrtausende, da gibt es keinen Unterschied! Mein Name ist Chris, ja?“ „Ist das dein Ernst? Du bist noch nicht richtig da!“ Er griff sich zur Stirn, schüttelte den Kopf, als müsse er endlich zu sich kommen. „'Kommt mir alles vor wie ein übler Traum.“ Er sah sich um. Weiße Wände, rote Polstersessel, Tisch, Stühle, zwei Liegen, auf einer, er, daneben der Galgen mit der Flasche, ein Schrank mit der Kaffee- Anrichte, eine Schleusen-Tür, gegenüber eine weitere Tür mit Fenster, dahinter Apparate, das technisches Equipment wie es schien, auf einer Tür daneben war ein rotes Kreuz gepinselt. An einer Wand hing ein Poster, von einer Wüstenlandschaft mit Felsformationen wie gotische Kathedralen und strahlend blauen Himmel, passend zur Menthol-Frische, hier, in diesem hermetischen Habitat. „Canyons-Land“ stand in fetten 3D- Lettern darauf. Canyons-Land? Er fühlte einen Stich in der Herzgegend. Warum nur glaubte er Canyons-Land zu kennen? „Canyons- Land“, Chris wies zum Plakat, „Canyons-Land ist nicht hier auf dem Mars?“ „Keine Ahnung, aber, wo sollte Canyons-Land sonst sein?“ „Nein, Canyons-Land ist nicht hier auf dem Mars!“ „Ok, ok, wo dann? Hier gibt es Canyons a Masse!“ „Nein, nicht hier, nicht hier auf dem verdammten Mars!“ „Ja, ok, dann eben nicht!“ „Das hier ist ein Arrangement!“ „Wie, was für ein Arrangement?“ „Ja ein Arrangement“, er sah sich wieder um, sein Blick blieb auf dem Plakat hängen, „und wer es auch immer arrangiert hat, alle Achtung!“ „Ein Arrangement? Was meinst du damit?“ „Dass ich hier bin, all das Entsetzliche…

Peter Tempel

67098 Bad Dürkheim


Impressum
Datenschutzerklärung