Mirror Gulch

Mirror Gulch

Was liegt dieser Welt zu Grunde, ein Geistes- Prinzip oder ein Zufalls- Prinzip

Myk sah nach oben, wo Felsstufen ein Entkommen versprachen. Lilley, sagte, es würde ihr leid tun, dass sie ihm einen Fußtritt verpasst hätte. Myk antworte, es wäre nicht der Rede wert, um Gotteswillen. Sie wieder sagte, sie hätte unter ihm hindurch tauchen müssen. Er wieder, während er nach oben zeigte, wo er einen Fluchtweg sah, sagte, dass sie da hinauf müssten. Sie wieder, er hätte den Lichteinfall hinter seinem Rücken ja nicht sehen können, deshalb wäre sie unter ihm hindurch getaucht. Während sie aufeinander einredeten fiel die Wasseroberfläche unter dem Baumstamm laut gurgelnd zusammen. Es tat sich ein rumorender, düsterer Schlund auf und das verhieß nichts Gutes, eine Verschnaufpause bestenfalls, vor der nächsten Eruption! Plötzlich war dieses Geräusch zu hören, dieses durch und durch andere Geräusch! Beide sahen gebannt nach oben... Es näherte sich schnell und wurde zu einem eindringlichen, metallisch klingenden Surren. Ein Schatten huschte über die Spaltöffnung der Schlucht! Das Scheppern verschwand ebenso schnell wie es gekommen war, es ging in Sekundenschnelle! „Ich will es nicht glauben, ein Roboter, das war ein Roboter, die Security-Roboter sind schon hier, Lilley“, sagte Myk, „beeilen wir uns, hier hinauf!“ Über die Aststümpfe des Baumstammes gelangten sie zu den Felsabsätzen, sie gewannen schnell an Höhe. Vor ihnen öffnete sich der Canyon, sie waren offenbar durch eine Seitenspalte entkommen. Die Felswände zitterten vom Donnern der Sintflut in der Tiefe, der Himmel verrührte Wolken aus Tinte. Das metallische Scheppern kehrte zurück, vielfach! „Es ist eine ganze Horde“, sagte Myk. Wie ein Schwarm nervöser Insekten stürzten sie steil in den Canyon herunter und schwärmten aus! Die Luft vibrierte absonderlich! Es waren heftige, kurze Stoßwellen vom rhythmischen Scheppern der Antriebe. „Oh Gott, ich glaube wir werden Zeuge eines Massakers“, sagte Myk. Die Flut wird die Piraten aus ihrem Unterschlupf treiben, die haben nicht die geringste Chance!“ Einer der glänzenden Metallbüchsen surrte heran. In kurzem Abstand hielt der Roboter vor Lilley und Myk. Seine Ring-Armatur fuhr hin und her, ein Objektiv bewegte sich wie der Stachel eines Auges! „Nur keine Bange, Lilley, der ist zu unserem Schutz hier, ganz sicher, los, los komm, nur weiter!“ Plötzlich, hochfrequente, peitschende Feuerstöße! Kein Mensch hätte dieses Geräusch lange ertragen! Es war ein unerbittliches Fortissimo der Vernichtung, die Sinfonie schrecklicher Tötungs- Maschinen, der ganz grose Wurf der Waffen-Wissenschaft wahrscheinlich, als wären alle guten Geister zum Teufel übergelaufen um sich so etwas überhaupt ausdenken zu konnen. Lilley hielt sich die Ohren zu, Myk brummte, „verdammt, verdammt…“, am Boden des Canyons hetzten die Roboter wie Schweißhunde entlang, sie feuerten auf alles was sich bewegte… Langsam schob sich etwas großes Schwarzes über die Schlucht. „Lilley, ein Sky- Tank, wir sind gerettet! Komm! Nur weg hier!“

„Keine Sorge Commander Ruud, die Rettungskräfte sind schon unterwegs, Ärzte und Hilfskräfte, Transporter, es ist alles veranlasst, die werden jeden Moment eintreffen“, sagte Buzz, er schob bissig hinterher, „wir haben den Auftrag, sie beide rüber zum Space-Harbour zu bringen!“ „Sie haben den Auftrag uns zum Space-Harbour zu bringen Mr. Firemann, von wem?“ „Tut mir leid Commander, wir können keine Auskunft geben, es ist eine Exekutiv-Order!“ „Eine Exekutiv-Order?“ Myk sah zu Lilley, sie zuckte posttraumatisch absent mit den Schultern. „Ja, das ist es“, räsonierte Buzz, er repetierte ätzend, „eine Exekutiv- Order“, als wäre es das widerlichste was einem so unterkommen könne und schob verächtlich nach, „von ganz top- oben, ganz topsecret!" Draußen war schwarze Dunkelheit. Der schwere Vogel bewegte sich träge wenn er Turbulenzen ausglich, es war geradezu ein Wiegen der Geborgenheit. Myk sah wieder zu Lilley. „Die Razzor? Gilt diese „Exe“ dir, mir? Haben „Die“ den Focus auf uns?“ Sie zuckte kläglich abwehrend mit den Schultern. Myk sah nachdenklich hinaus in die Dunkelheit. Unaufhörlich zuckten erratische Blitze. Nach einer Weile sagte Lilley merklich mitgenommen: „Dieses Töten ist fürchterlich, ich meine diese Rücksichtslosigkeit, dieses rücksichtslose Töten!“ „Die Banditen waren nicht weniger rücksichtslos!“ „Ja, ja, das ist es ja, wie soll man das verstehen, ist diese Welt etwa ein Fressprogramm?“ „Das ist eine interessante Frage!“ „Ich dachte diese Art zu töten wäre langst vorbei?“ „Diese Welt war schon immer ein Schlachthaus, na ja, mehr oder weniger!“ „Man hat nie dazu gelernt?“ „Nie!“ „Man hat tatsächlich nie dazu gelernt?“ „Na ja, es gab mal so was wie einen Geschichts-Optimismus, das man aus der Geschichte fortwährend lernen würde, kurzlebig, hinterher kam alles viel schlimmer!“ „Und die Religionen, der Glaube an eine metaphysische Instanz, was war damit?“ „Du meinst Gott? Ja, was war damit, auch eine gute Frage!“ „Hatte er keine Geltung?“ „Gott hat sich, eh, nach diesem Schriftsteller, diesem, eh, Russen, egal, für die Freiheit entschieden, wir können den Himmel oder die Hölle aus diesem Planeten machen, er wird sich nicht einmischen!“ „Es gibt also keine metaphysische Größe?“ „Man hat die Freiheit an ihn zu glauben, aber das entlässt niemand aus der Verantwortung!“ „Wie meinst du das?“ „Das zu tun was als gut und richtig erachtet wird! Es gibt Dinge die tut man einfach nicht! Ziemlich naiv angesichts dessen!“ „Der kategorische Imperativ?“ „Hmm, es ist alles in unseren Köpfen!“ „Und warum halt sich niemand dran?“ „Ein Fressprogramm frisst!“ „Du glaubst nicht an Gott?“ „Was glaubst du liegt dieser Welt zugrunde, ein Geistes-Prinzip, oder ein Zufalls-Prinzip?“ „Weiß nicht, diese Frage habe ich mir noch nicht gestellt.“ Lilley sah nachdenklich hinaus in die Nacht, Blitze flammten auf. Sie sagte: „Ein Geistes-Prinzip würde, sollte man annehmen, kein Fressprogramm installieren!“ „Du favorisierst ein Zufalls-Prinzip das zufällig ein Fressprogramm installiert hat?“ „Weiß nicht?“ „Allerdings benötigt ein Fressprogramm irgendwann die Kontrolle eines Geistes-Prinzips um sich nicht selber aufzufressen!“„Ein intellektuelles Fressprogramm, eine peinliche Vorstellung!“ „Ich meine, eh, eben im Sinne von, ein Fressprogramm darf sich nicht selber auffressen, eine Verneinung kann sich nicht negieren, der Verstand kann sich nicht selber wegdenken, je pense, donc je suis! Es muss eine letzte Verlässlichkeit geben!“ „Ich denke also bin ich!“ „Oh ja! Ein schöner Spruch, da fühlt man sich doch gleich besser in einer barbarischen Welt!“ „Du glaubst dieser Welt liegt ein Geistes-Prinzip zugrunde?“ „Hmm, 'würde gerne, ja, auch ein schöner Gedanke, wenn’ s einem auch verdammt schwer fallt, heutzutage! Jedenfalls für die Geistesgrößen damals muss es eine ungeheure Tröstung gewesen sein, als sie sich vom Gemetzel der Kriege abwenden und den ersten Entwürfen der sogenannten ewigen Wahrheiten zuwenden konnten!“ „Ist dieses Geistes-Prinzip vielleicht ein Gottes-Prinzip?“ „Das ist eine hochinteressante Frage! Die Geistesströmungen damals waren auch nicht ganz unschuldig. Man propagierte den Tod Gottes, Nihilismus, die Sinnfrage, dabei wollen die Menschen an etwas glauben, das Sinnlose vor Augen ist unerträglich…

 

Peter Tempel

67098 Bad Dürkheim


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